Stammzellen bei der Behandlung von Pferden

Pferdebesitzer und Tierärzte greifen zunehmend auf Stammzellen als Behandlungsalternative zurück, etwa bei Sehnen- und Bänderverletzungen, die auf gängige Therapien nicht ansprechen. Dies gilt vor allem für teure Sportpferde. Und trotz der Tatsache, dass derartige Therapeutika dem Tierarzneimittelrecht unterliegen und zulassungspflichtig sind , schießen seit einiger Zeit Unternehmen für Stammzellen in der Veterinärmedizin wie Pilze aus dem Boden und verkaufen illegal  Behandlungen, die noch nicht umfassend geprüft wurden. Der einzige derzeit legale Weg, einen Pferdepatienten mit einer Stammzelltherapie zu behandeln, ist jedoch die Herstellung und Anwendung der Stammzellen unter Verantwortung und Aufsicht des behandelnden Tierarztes in dessen Praxis. Diese Vorgehensweise fällt unter die Ausnahmeregelung der entsprechenden EU-Tierarzneimittelgesetzgebung und ist verbindlich für alle Mitgliedsstaaten der Europäischen Union.

Besitzer hochwertiger Sportpferde greifen zur Behandlung von Sehnen-, Bänder- und Knorpelverletzungen zunehmend auf Stammzelltherapien zurück.

Bei Stammzelltherapien für Pferde werden vorwiegend mesenchymale Stammzellen (MSC) eingesetzt, die sich in Zellen differenzieren, die Knochen, Sehnen, Fettgewebe und Knorpel bilden.

Bei MSC-Therapien werden in der Regel MSC, die aus dem Knochen oder Fettgewebe des Pferdes entnommen wurden, in Bereiche mit geschädigten Sehnen oder Knorpeln injiziert.

Einige experimentelle Studien zeigten positive Resultate, doch für viele Stammzelltherapien, die von Unternehmen angeboten werden, ist weder belegt, dass sie sicher sind noch dass sie überhaupt funktionieren.

MSC kommen in Knochenmark und Fettgewebe in eher geringer Anzahl vor, sodass die Gewinnung einer ausreichenden Anzahl Zellen für eine Behandlung schwierig ist. Die Forscher möchten alternative Wege erschließen, wie sie schneller an MSC gelangen können. Dies umfasst beispielsweise MSC von Spenderpferden oder die Herstellung der Zellen aus embryonalen Stammzellen und/oder induzierten pluripotenten Stammzellen (iPS).

Es ist noch weitere Forschung nötig, bis belegt ist, dass MSC-Therapien für Pferde sicher und wirksam sind. Die meisten Studien, die für den Einsatz von MSC bei der Behandlung von verletzten Pferden sprechen, untersuchen nur eine kleine Anzahl an Pferden, wenden sehr verschiedene Methoden an, arbeiten nicht mit Kontrollgruppen mit unbehandelten Pferden und untersuchen auch nicht die Langzeitwirkung.

Theoretisch sind MSC-Therapien am wirksamsten, wenn die Zellen möglichst bald in die verletzten Bereiche injiziert werden. Doch bei den meisten aktuellen Therapien dauert es mehrere Wochen, bis die Zellen gewonnen, im Labor gezüchtet und dann wieder in das verletzte Pferd injiziert werden. Die Forscher untersuchen andere Möglichkeiten, für Therapien rascher an große Mengen an MSC zu gelangen.

Behandlungen mit iPS haben ein großes Potenzial für künftige Therapien bei Mensch und Pferd. Doch die Forscher versuchen immer noch herauszufinden, wie bestimmte Zelltypen zuverlässig in identischen Chargen produziert und dann für Behandlungen eingesetzt werden können.

Welche Stammzellbehandlungen werden zurzeit beim Pferd durchgeführt?

Verletzungen des Bewegungsapparats sind bei Pferden ein häufiges und kostspieliges Problem. Mesenchymale Stammzellen (MSCs) kommen heute bei den Behandlungsmethoden solcher Verletzungen zum Einsatz. Wie beim Menschen lassen sich auch beim Pferd MSCs aus Knochenmark und anderen Geweben gewinnen und dann im Labor züchten. Allerdings handelt es sich dabei um gemischte Zellpopulationen, die neben vielen anderen spezialisierten Zellen (Nicht-Stammzellen) nur einen verschwindend geringen Anteil echter Stammzellen enthalten. Daher lautet die zutreffendere Bezeichnung für diese Zubereitungen mesenchymale Stromazellen.

Diese Zellen werden meist durch Punktion des Brustbeins oder Darmbeins aus dem Knochenmark gewonnen. Alternativ lassen sie sich auch durch die Entnahme von Unterhautfett gewinnen, wodurch eine kleine Wunde am Pferderumpf entsteht. Nach der Entnahme werden die Knochenmarkproben zwei bis drei Wochen lang kultiviert, um die Zahl der Stammzellen zu erhöhen, oder aber sie werden durch Zentrifugieren konzentriert und dem Patienten sofort rückinjiziert. Die Unterhautfettproben kultiviert man oft nicht, sondern injiziert sie innerhalb weniger Stunden nach Entnahme wieder. Es gibt auch Transplantationen durch Injektion von Zellen in Sehnenverletzungen, Gelenke oder lokale Blutgefäße, um eine weitere Verbreitung der Zellen rund um die Läsion zu erreichen.

Knochenmarkzellen wurden erstmals im Jahr 2000 in Großbritannien zur Behandlung von Sehnenverletzungen bei Pferden eingesetzt. Seitdem wurden zahlreiche Studien durchgeführt, um die Eigenschaften der MSCs des Pferdes zu erforschen und ihre klinischen Anwendungsmöglichkeiten zu prüfen. Bei klinischen Studien wurden MSCs aus dem Knochenmark getestet, in geringerem Maß auch aus anderen Geweben wie Fettgewebe oder Nabelschnur. Behandelt wurden dabei Sehnenverletzungen, Knochen- und Gelenkentzündungen sowie weitere Verletzungen von Knorpeln und Bändern. Bei Pferden waren einige positive Auswirkungen auf die Genesung erkennbar. Sie zeigten sich an einer früheren Rückkehr in den Sport oder einer geringeren Rückfallquote bei Behandlungen mit MSCs.

Therapie von Erkrankungen des Bewegungsapparats bei Pferden mit MSCs: Wo sind die Grenzen?

Es sind noch mehr belastbare Nachweise nötig, aus Vergleichsstudien zwischen großen Zahlen behandelter und unbehandelter Tiere, einschließlich einer ausreichenden Nachverfolgung zur Ermittlung der Langzeitwirkung.

Außerdem muss noch die wirkungsvollste Verabreichungsform von Stammzellen bei Pferden gefunden werden. Wir wissen noch nicht, welche Gewinnungsart von MSCs am besten ist, wie viele Zellen verpflanzt werden sollten, ob es besser ist, die Zellen vor der Verpflanzung im Labor zu differenzieren oder nicht; auch Zeitpunkt und Häufigkeit der Behandlungen sind noch zu klären.

Trotz alldem werden Stammzellen bei Pferden weiterhin eingesetzt, und bei manchen Anwendungen (z. B. bei Hufrehe) gibt es keine Nachweise, dass sie wirken. Derzeit werden zur Behandlung von Pferden meistens autologe Zellen genutzt: vom Pferd gewonnene Zellen, die nach bestimmten Verarbeitungsschritten wieder in dasselbe Pferd rückinjiziert werden. Die Anzahl der Stammzellen, die sich von einem Pferd gewinnen lässt, ist sehr gering, und bei manchen ist sogar gar keine Stammzellenentnahme möglich.

Die gewonnenen Stammzellen lassen sich im Labor kultivieren und vermehren, ehe sie rückinjiziert werden, jedoch verzögert sich dadurch der Behandlungsbeginn nach Verletzung bzw. Erkrankung oft um zwei bis vier Wochen. Hier könnten allogene Zellen helfen – Zellen, die einem Tier entnommen und einem anderen transplantiert werden. Sie könnten die Grundlage für eine stets verfügbare, gebrauchsfertige Behandlungsmethode mit Wirksamkeitsnachweis bilden. Nach geeigneten und gefahrlosen allogenen Gewinnungsquellen von Stammzellen für Pferde wird derzeit geforscht.

Anders als MSCs sind pluripotente Stammzellen in der Lage, jeden beliebigen Zelltyp im Körper zu erzeugen. Die Gewinnung pluripotenter Stammzellen aus Pferdeembryos, wo sie natürlicherweise vorhanden sind, hat sich als schwierig herausgestellt. Mit Labortechniken, die für menschliche Zellen entwickelt wurden, ließen sich jedoch Zellen aus der Haut von Pferden zu pluripotenten Stammzellen reprogrammieren. Diese als induzierte pluripotente Stammzellen (iPS Zellen) bezeichneten Zellen ähneln denen natürlicherweise in Pferdeembryonen vorhandenen und haben gegenüber anderen Stammzellen einige Vorteile: Sie lassen sich von jedem beliebigen Pferd in vitro reproduzieren und können zur Erzeugung aller Arten von Körperzellen dienen, für medizinische Transplantationen oder zur Erforschung von Krankheiten in der Petrischale.

Die ersten iPS Zellen vom Pferd wurden 2011 hergestellt. Seitdem konnten Forscher im Labor aus iPS Zellen Nervenzellen des Pferdes erzeugen und arbeiten zurzeit an Verfahren zur Produktion weiterer Zellen, die eines Tages klinisch bedeutsam sein könnten, wie zum Beispiel MSCs.

iPS Zellen vom Pferd könnten zudem ein wichtiges Werkzeug sein, um im Labor die normale Körperentwicklung zu studieren, die Entwicklung bestimmter Erkrankungen beim Pferd zu verstehen und neue Medikamente dagegen zu erproben.

iPS Zellen haben für Pferde ein enormes Potenzial. Es müssen jedoch zuerst einige Grenzen überwunden werden, ehe sie als unbedenkliche Therapieoption in Betracht kommen. Das Wichtigste ist herauszufinden, wie sich die Differenzierung der iPS Zellen in bestimmte, gewünschte Zelltypen (und nicht in wahllose Gewebszellen) sicher steuern lässt. Erste klinische Studien mit menschlichen iPS-Zellen laufen bereits (genauer gesagt zur Behandlung von altersbedingter Makuladegeneration) und wecken Hoffnung, dass diese pluripotenten Zellen auch zur Entwicklung neuer Therapien für Pferde hilfreich sein können.

Dieser Artikel wurde von Xavier Donadeu und Cristina Esteves erstellt und von Peter Cleggrezensiert.

Die deutsche Übersetzung wurde im Auftrag vom German Stem Cell Network (GSCN) erstellt und von Walter Brehm rezensiert.

Hauptbild: "Tobiano" von Jean-Pol GRANDMONT, bearbeitet von Kersti (Lizensiert unter CC BY 2.5 über Wikimedia Commons-http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Tobiano.jpg - /media/File:Tobiano.jpg

Alle anderen Bilder mit freundlicher Genehmigung von Xavier Donadeu, The Roslin Institute an der University of Edinburgh