Schlangengift aus Organoiden
Forscher vom Hubrecht Institut (KNAW) haben in einer internationalen Kollaboration eine Methode entwickelt um Zellen aus der Giftdrüse von Schlangen als Organoide zu züchten. Diese Mini-Drüsen aus der Petrischale produzieren und sekretieren aktive Toxine des Schlangengifts. Sie können von diversen Spezies gezüchtet und im Labor uneingeschraenkt vermehrt werden. Diese neue Technologie verspricht den veheerenden Schaden von Schlangengift zu vermindern, aber auch die Geheimnisse des Gifts besser zu verstehen. Die Resultate der Forscher wurden am 23. Januar in der Wissenschaftszeitschrift Cell veröffentlicht.
Die tödliche und heilenden Aspekte von Schlangen und ihres Giftes haben die Menschheit seit Jahrtausenden fasziniert. Auch heutzutage sterben über 100,000 Menschen jährlich an Schlangenbissen, während über 400,000 bleibende Schäden davontragen. Viele Menschen leiden zudem an Ophiodiophobie, der abnormen Angst vor Schlangen. Jedoch stellt Schlangengift auch eine Goldgrube für neue Medikamente dar und wurde bereits im antiken Griechenland therapeutisch eingesetzt. Seitdem wurden viele Wirkstoffe von Schlangengift inspiriert, unter anderem blutdrucksenkende Therapeutika und Schmerzmittel. Bis heute ist es allerdings herausfordernd, Schlangengift in der Wirkstoffforschung einzusetzen und Menschen gegen seine verheerende Wirkung zu schützen. Einige Hindernisse sind der schwierige und gefährliche Prozess des Schlangenmelkens, sowie Herausforderungen beim Charakterisieren und Modifizieren einzelner Toxine in Schlangen.
Neun verschiedene Schlangen
Drei Doktoranden im Labor von Hans Clevers am Hubrecht Institut in Utrecht wurden insipriert vom Erfolg ihrer Kollegen, Miniaturversionen diverser Organe von Säugetieren zu züchten, welche als Organoide bekannt wurden. Sie fragten sich, ob dies auch für Reptilien funktionieren könnte, und ob sie somit Gift im Reagenzglas herstellen könnten. Sie bauten eine internationale Kollaboration mit Schlangenexperten in Leiden, Liverpool und Amsterdam auf um Giftdrüsen von neun verschiedenen Schlangenarten zu sammeln, welche dann als Mini-Drüsen in der Petrischale gezüchtet werden sollten.
Körpertemperatur
Nach einigen Versuchen, die Wachstumsbedingungen von Säugetier-Organoiden and Schlangen anzupassen, entwickelten die Forscher ein Rezept, welches die unbeschränkte Vermehrung von Giftdrüsen unterstützt. „Die Ähnlichkeit zwischen den Bedingungen für menschliche und Schlangenorganoide war erstaunlich. Der größte Unterschied besteht in der erforderlichen Temperatur”, sagt Jens Puschhof (Hubrecht Institut). Weil die Körpertemperatur von Schlangen niedriger ist als die menschliche, konnten die Schlangenorganoide ebenfalls nur bei geringeren Temperaturen wachsen; 32°C anstatt 37°C.
Aktive Toxine
Durch ein hochauflösendes Mikroskop konnten die Forscher beobachten, dass die Zellen der Organoide mit dichten Strukturen gefüllt sind. Diese ähneln stark den Vesikeln, welche das Gift in der Giftdrüse sammeln. In der Tat konnten vielfältige Analysen zeigen, dass die Organoide den Großteil der Komponenten des Schlangengifts produzieren. Zum ersten Mal war es somit möglich, die Giftproduktion in einzelnen Zellen der Giftdrüse zu studieren. „Wir wissen von anderen sekretorischen Organen – wie zum Beispiel der Bauchspeicheldrüse und dem Dünndarm – dass spezialisierte Zelltypen Untergruppen von Hormonen produzieren. Nun konnten wir zum ersten Mal nachweisen, dass dies auch auf Toxine aus Giftdrüsenzellen zutrifft“, erklärt Joep Beumer (Hubrecht Institut). Zudem fanden die Forscher, dass unterschiedliche Faktoren im Wachstums-Medium der Organoide die Zusammensetzung des Giftes beeinflussen konnten. Somit kann die Art des produzierten Giftes kontrolliert werden. In weiteren Kollaborationen konnten sie zeigen, dass Neurotoxine aus den Organoiden die Signalübertragung zwischen Nervenzellen ebenso unterbrechen konnten wie echtes Schlangengift.
Gegengifte und neue Therapeutika
Die Erkenntnisse der Forscher könnten weitreichende Konsequenzen haben. So könnte das Gift aus Organoiden sowohl zur Herstellung von Gegengift als auch zur zielgerichteten Entwicklung neuer schlangengiftbasierter Therapeutika verwendet werden. Weitere Studien zur Entwicklung dieser Anwendungen warden gegenwärtig duchgeführt. Die Erkenntniss, dass Reptiliengewebe als Organoide gezüchten werden können lässt vermuten, dass dies auch für viele weitere Wirbeltiere (so wie Eidechsen und Fische) möglich ist. So etablieren die Forscher zusammen mit Freek Vonk vom Naturalis Biodiversity Center in den Niederlanden momentan eine Kollektion der Giftdrüsen von 50 giftigen Reptilien, insbesondere von Schlangen und anderen giftigen Tieren. Yorick Post (Hubrecht Institut): “Es war großartig zu sehen wie sich unsere Faszination über Schlangen-Organoide in eine Technologie verwandelt hat, die diverse Anwendungen im Gesundheitssystem verspricht“.
In this video, Yorick Post, Jens Puschhof and Joep Beumer explain how they developed organoids, or mini-organs, of the snake venom gland, and what we might be able to do with these organoids in the future.
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