Embryonen, Herkunft und Ethik – die Quellen der humanen embryonalen Stammzellen
Woher bekommen Forscher embryonale Stammzellen? Dies ist die Kernfrage der kontroversen Diskussion um die Forschung an humanen Stammzellen. Sollten sich Wissenschaftler selbst auf die Verwendung von Embryonen beschränken, die bei einer Fruchtbarkeitsbehandlung übrig bleiben? Warum sollte man nicht Embryonen speziell für die Forschung und Maximierung unserer Erfolgschancen züchten?
Humane embryonale Stammzellen (ES-Zellen) entstehen aus einer kleinen Anzahl Zellen in der Keimblase (Blastula), einem sehr frühen Stadium des menschlichen Embryos. Aus einzelnen Blastulazellen werden große Zellmengen gezüchtet um ES-”Zellinien” zu erzeugen.
Die meisten Forschern verwendeen bereits existierende embryonale Stammzelllinien. Die meisten neuen embryonalen Stammzelllinien werden aus Keimblasen gewonnen, die bei Fruchtbarkeitsbehandlungen übrig bleiben.
Durch die Fähigkeit der ES-Zellen zur Selbstreplikation können riesige Mengen an Zellen aus einer einzigen Stammzelllinie gezüchtet werden und zwischen Labors überall auf der Welt viele Jahre lang ausgetauscht werden. Dadurch wird die Notwendigkeit, neue ES-Zellen aus Keimblasen zu gewinnen, auf ein Minimum reduziert.
Manche Menschen sind zwar mit der Verwendung jeglicher embryonaler Stammzellen nicht einverstanden, doch der Einsatz der embryonalen Stammzelllinien, die bereits existieren, ist allgemein akzeptiert, da keine weiteren Embryos geschädigt werden.
Die ethische Debatte über die Züchtung neuer embryonaler Stammzelllinien aus überschüssigen Blastozysten vonFruchtbarkeitskliniken ist vor allem einem Dissens über die korrekte Behandlung von Blastozysten geschuldet. Manche Menschen sehen in der Zerstörung von Blastozysten das Töten menschlichen Lebens.
Oft übersehen bei ES Zellen wird die Problematik wer von Therapien, die auf ES-Zellen basieren, profitieren wird und wer nicht. Zum Beispiel könnten ES-Zellbasierte Therapien für arme Menschen oder Länder nicht verfügbar oder bezahlbar sein.
Die Forschung an embryonalen Stammzellen konzentriert sich auf Stammzelllinien. Dabei handelt es sich um Zellpopulationen, die alle dieselben Gene tragen und in einem Labor viele Wachstums- und Teilungszyklen lang über viele Zellgenerationen hinweg gezüchtet werden. Eine Zelllinie kann viele Forscher mit einer gewaltigen Anzahl Zellen versorgen.
Es gibt drei Hauptquellen für humane embryonale Stammzelllinien.
- Zelllinien, die bereits existieren
- Überschüssige Embryonen, die bei einer Fruchtbarkeitsbehandlung übrig bleiben
- Maßgefertigte Embryonen, die über den somatischen Zellkerntransfer (SCNT) geschaffen wurden, einer Technik, die bei Klonschaf Dolly angewandt wurde.
Manche Menschen lehnen die Nutzung humaner embryonaler Stammzellen kategorischab. Doch die Verwendung von Zelllinien, die bereits existieren, ist die am weitesten akzeptierte Stammzellquelle. Dabei gilt Motto: „Was geschehen ist, ist geschehen“. Selbst wenn die Entnahme der Embryonen eigentlich als moralisch umstrittenangesehen wird, kann jetzt sowieso nichts mehr unternommen werden, um die ursprünglichen Embryonen, aus denen die Linien entstanden sind, zu retten.
Wer diese Zellquelle für die Forschung ablehnt, der sorgt sich um fehlenden Respekt gegenüber den Embryonen und somit dem menschlichen Leben, den dieses Vorgehen zeigt. Es folgt eine Übersicht der Argumente für und gegen die Verwendung von überschüssigen Embryonen.
Argumente für die Verwendung von überschüssigen Embryonen
| Argumente gegen die Verwendung von überschüssigen Embryonen
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Es gibt keinen Anhaltspunkt, dass die Vernichtung von Embryonen die gesellschaftlichen Werte unterminiert – viele Jahre lang wurden Embryonen für die In-vitro-Fertilisation erzeugt und benutzt; trotzdem konnte man keine signifikanten Veränderungen daran beobachten, welchen Wert wir dem menschlichen Leben beimessen.
| Falls Stammzelltherapien zu Routinebehandlungen werden, könnte es sein, dass menschliche Embryonen als Quelle für therapeutisches Material ausgebeutet würden was einen schwindenden der Respekt gegenüber dem menschlichen Leben bedeuten könnte.
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Wenn es moralisch akzeptabel ist, Embryos für Fruchtbarkeitsbehandlungen zu nutzen, bei denen viele Embryonen nie in die Gebärmutter einer Frau eingepflanzt und damit absterben werden, sollte es nicht unmoralisch sein, Embryonen zur Heilung von schrecklichen Krankheiten zu opfern.
| Das ist der Anfang vom Ende und könnte zuentmenschlichenden Szenarien wie Embryofarmen führen, mit geklonten Föten, die als Ersatzteillager genutzt werden.
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Die überschüssigen Embryonen werden ohnehin vernichtet, sobald die Frist für ihre Aufbewahrung im Gefrierschrank abgelaufen ist. Es ist daher besser, diese Embryonen nicht zu verschwenden, sondern sie für eine Forschung zu verwenden, die den Menschen zugutekommen könnte.
| Die Gesellschaft könnte dann dazu gebracht werden, den Verlust eines Lebens zur Rettung eines anderen Lebens zu tolerieren. Wohin könnte das führen?
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Einige argumentieren, dass es moralisch verwerflicher ist, einen Embryo mit der Absicht zu erzeugen, ihn bei der Forschung zu vernichten, als überschüssige Embryonen als Nebenprodukt einer Fruchtbarkeitsbehandlung zu erzeugen, wo zumindest die Chance besteht, dass menschliches Leben entsteht.
Jedoch können solche Embryonen die Bedürfnisse von Patienten vermutlich besser erfüllen, da eine bestimmte Person als Zellquelle verwendet werden kann, deren Zellen mit denen des Patienten kompatibel sind.
Der Begriff therapeutisches Klonen beschreibt die Erzeugung humaner Blastozysten um daraus Stammzellen zur Verwendung bei einer medizinischen Behandlung für einen bestimmten Patienten zu gewinnen.
In der Praxis bedeutet therapeutisches Klonen momentan die Erschaffung humaner Blastozysten mittels einer Technik, die als somatischer Zellkerntransfer (SCNT) bezeichnet wird. Dabei wird der Zellkern aus einer adulten Zelle in eine Eizelle injiziert, aus der der Zellkern entfernt wurde. Man lässt den Embryo anschließend in ein sehr frühes Entwicklungsstadium wie die Blastozyste auswachsen. Dann wird der Embryo als Stammzellquelle verwendet. Es wird erwaretetZukunft könnte diese Methode eine Zellquelle für Therapien darstellen.
Es gibt keinen Konsens über die ethischen Auswirkungen des therapeutischen Klonens.
Argumente für die Zulassung des therapeutischen Klonens
| Argumente gegen die Zulassung des therapeutischen Klonens
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Die Möglichkeit, dass die Menschheit in Zukunft einen immensen Nutzen davon hat, könnte unter bestimmten Umständen Fehlverhalten überwiegen. Selbst wenn die Vernichtung von Embryonen als Töten klassifiziert wird, rechtfertigt die Gesellschaft bisweilen Töten, um das Leben anderer zu retten: Wenn z. B. Hitler einem Anschlag zum Opfer gefallen wäre, hätte wahrscheinlich das Leben von Millionen gerettet werden können. Embryonale Stammzelllinien könnten aus Zellen von Patienten erzeugt werden, die an seltenen, komplexen Krankheiten leiden – eine unermessliche Quelle, die von vielen Wissenschaftlern genutzt werden kann um Therapien für diese Patienten zu entwickeln.
| Fehlgeleitete Menschen könnten versuchen, in die Gebärmutter einer Frau geklonte menschliche Embryonen einzupflanzen, um einen geklonten Menschen zu schaffen (wird als reproduktives Klonen bezeichnet). Es gibt in vielen Ländern – jedoch nicht in allen – Gesetze, die dies verbieten. Der wirtschaftliche Druck und der internationale Wettbewerb könnten Wissenschaftler dazu verleiten, immer mehr Forschung an Embryonen durchzuführen, und der Wert menschlicher Embryonen würde reduziert auf eine Zellquelle für Forscher. Die zu dieser Art der Erzeugung von Embryonen verwendeten Eizellen müssen von Frauen gespendet werden, die wegen ihrer Eizellen ausgebeutet werden könnten – speziell in ärmeren Ländern oder an Orten mit einer unsichereren Rechtslage.
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Die Quelle humaner embryonaler Stammzellen ist nicht das einzige ethische Problem, über das nachgedacht werden muss. Es ist noch nicht klar, wer von stammzellbasierten Therapien profitieren wird. Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass die ärmeren Länder der Erde zumindest zu Beginn einen Vorteil davon hätten. Viele andere ethische Fragen werden bei der Aussicht auf neue Therapien und durch Entdeckungen wie die induzierte pluripotente Stammzelltechnologie aufgeworfen.
Dieses Informationsblatt wurde erstellt von Kristina Hug und überarbeitet von Göran Hermerén.
Überprüft und aktualisiert im Jahr 2015 von Göran Hermerén.
Überprüft und aktualisiert im Jahr 2018 von Kristina Hug.
Übersetzt ins Deutsche von Birgit Wahl und Bärbel Ulmer.
Bilder mit humaner Blastozyste und humanen embryonalen Stammzellen von Jenny Nichols. Zellkerntransfer mittels SCNT und das Klonschaf Dolly vom MRC Centre for Regenerative Medicine der Universität von Edinburgh.